Transskript: Narben korrigieren nach schweren Brandverletzungen
Veröffentlichung der Folge: September 2023
Wenn es um Narbenkorrekturen geht, tauchen bei Eltern betroffener Kinder viele Fragen und Unsicherheiten auf. Welche Möglichkeiten der Narbenkorrektur gibt es? Welche Eingriffe sind notwendig? Wann ist der richtige Zeitpunkt? Mit Hilfe eines Experten wollen wir Licht ins Dunkel bringen.
In der Akutbehandlung nach schweren Brandverletzungen werden zunächst die verbrannten Hautareale operativ verschlossen. Wenn alle Wunden abgeheilt sind, beginnt die Narbenbehandlung mit Kompression, Eincremen und Physio-/Ergotherapie, je nachdem an welcher Stelle die Verletzungen sind.
Nun kommt es auf die weitere Entwicklung der Narben bis zur völligen Ausreifung an. Manchmal wölbt sich das Gewebe auf einer verheilten Wunde nach oben oder Narbengewebe zieht sich so zusammen, dass die Narben, wenn sie Gelenke in der Beweglichkeit einschränken, operiert werden müssen. Und auch wenn der Unfall schon einige Zeit zurückliegt, kann das Thema z. B. in der Pubertät wieder aktuell werden.
Darüber sprachen wir mit Professor Dr. Thomas Krämer. Er ist Chefarzt der Klinik für Plastische und Handchirurgie mit Schwerbrandverletztenzentrum am Klinikum St. Georg in Leipzig.
Sind Verbrennungsnarben eigentlich besondere Narben im Gegensatz zu den „üblichen“ Narben?
Verbrennungsnarben unterscheiden sich vor allen Dingen in der Ausdehnung: Es sind häufig große Flächen betroffen. Weil die thermische Schädigung der Haut auch zu einer Schädigung von tiefen Hautschichten führt, sind es zum Teil auch sehr dicke Narben, die dann deutlich mehr Probleme machen können als einzelne Narben, wie sie jetzt zum Beispiel nach einer Operation entstehen, was dann meist nur strichförmige Narben sind.
Insbesondere weil die Funktion der Haut in den Verbrennungsnarben häufig geschädigt ist, kann die Haut kein Fett mehr produzieren und sich nicht rückfetten. Dadurch fängt die Haut an diesen Stellen häufig an zu jucken. Und die Hitze- und Kälteregulation funktioniert dann nicht mehr richtig, so dass Hitze und Kälte häufig als unangenehm empfunden werden.
Diese Narben sind auch nicht mehr so gut verschieblich auf dem Untergrund, was dazu führen kann, dass bei Bewegungen, vor allem wenn Gelenke betroffen sind und die Narben über Gelenke rübergehen, es eben auch dort zu einem Spannungsgefühl bis hin zu Bewegungseinschränkungen kommen kann.
Wie ist das nach einer Akutbehandlung?
Erstmal wird die Wunde operativ verschlossen und dann geht es weiter. Irgendwie müssen die Verbrennungsnarben oder die Entwicklung nochmal weiter beeinflusst werden.
Wir beginnen schon ganz am Anfang in der Intensivtherapie-Phase, uns darüber Gedanken zu machen, wie man die Narbenbildung optimieren, also möglichst positiv beeinflussen kann. Das fängt damit an, dass man die Operationstechnik entsprechend gut wählt, sodass möglichst wenig Narbe überhaupt auftritt, und wenn die Wunden geheilt sind, dass man eben die Narbenreifung positiv beeinflusst.
Das tut man immer, indem Kompressionskleidung angepasst wird, so dass Druck auf die Narben ausgeübt wird, damit sie möglichst flach bleiben. Es ist auch nachgewiesen, dass das tatsächlich einen sehr positiven Effekt hat. Diese Phase dauert so 12 bis 18 Monate nach der initialen Verbrennung.
Die Narben müssen dann mehrfach am Tag eingecremt werden. Am Anfang, in der Phase, in der die Narbe reift, darf sie auch nicht Sonnenstrahlung bzw. UV-Strahlung ausgesetzt werden, weil das zu Farbveränderungen in der Haut führen kann und auch die Narben oder die Narbenbildung verstärkt. Wir sagen immer: Zwei Sommer nach so einer Verbrennung sollte man Sonne meiden, und wenn man unbedingt in die Sonne muss, dann einen Lichtschutzfaktor 50 oder mehr auftragen, damit die Haut möglichst vor dem UV-Licht geschützt ist.
Je nach Lokalisation gibt es noch die Möglichkeit, dass man zusätzlich Schienen anlegt, um zu verhindern, dass die Gelenke sich verbiegen, dass Kontrakturen auftreten oder solche Dinge. Also, da werden sehr individuell noch zusätzliche Dinge angepasst.
Was sollte man generell bei der Narbenentwicklung im Auge behalten? Vielleicht auch im Hinblick auf Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern. Muss man da auf irgendwas achten?
Da gibt es deutliche Unterschiede! Der Hauptunterschied bei Kindern ist, dass die Kinder sich noch im Wachstum befinden und die Narben eben häufig nicht mitwachsen. So kann man bei Kindern auch nach der Phase der Narbenreifung noch in die Situation kommen, dass eine Narbe, wenn das Kind wächst, wieder zu klein wird, was dazu führen kann, dass ein Gelenk eine Kontraktur ausbildet.
Das kann bei Kindern so weit gehen, dass sogar Knochen schief, also krumm wachsen, weil die Narbe sozusagen verhindert, dass ein Knochen gerade wachsen kann, weil z. B. auf einer Seite die Narbe zieht. Sowas muss man natürlich merken und dann frühzeitig, gegebenenfalls auch wieder mit chirurgischen Maßnahmen reagieren.
Das heißt also, auch Jahre nach dem Unfall können noch Narbenkorrekturen notwendig sein. Bei Kindern ist es so, dass man das wahrscheinlich erst mit Abschluss des Wachstums irgendwann beenden kann.
Im Mittelpunkt der Entscheidungen stehen aber immer das Kind und die Funktionseinschränkungen, nicht die Ästhetik. Viele Kinder sind durch die Narben, auch wenn sie für uns ungewohnt und vielleicht nicht schön aussehen, überhaupt nicht beeinträchtigt. Dann muss man nichts machen, auch wenn die Eltern häufig unter den Narben doch sehr leiden. Aber da ist aus meiner Sicht entscheidend, wie sich das Kind fühlt und wie das Kind damit umgeht.
Nur wenn zusätzlich Funktionseinschränkungen auftreten oder eben so was wie dieses Knochenwachstum, was ich beschrieben habe, muss man natürlich etwas tun. Aber solange die Kinder nicht funktionsbeeinträchtigt und auch nicht beeinträchtigt sind, was ihr soziales Umfeld angeht, sollte man da eher zurückhaltend sein.
Kann man bei Narbenkorrekturen, die das Narbenbild verbessern, schon von Schönheits-OPs sprechen?
Nein. Da sind wir auch sehr klar, auch in unseren Fachgesellschaften, dass es niemals ein ästhetischer Eingriff, sondern immer ein rekonstruktiver Eingriff, ein wiederherstellender Eingriff ist, weil die Patienten ja durch die Narben sehr stark in ihrer Funktion beeinträchtigt sind. Und das kann auch eine soziale Funktion sein.
Wenn Sie jetzt eine Narbe im Gesicht haben und jeder Sie deshalb komisch anguckt, kann auch das eine Indikation sein, dass man da korrigierend eingreift, um die Situation zu verbessern, weil die soziale Funktion verändert oder eingeschränkt ist. Insofern ist eine Narbenkorrektur niemals ein ästhetischer Eingriff, und das wird übrigens auch von den Krankenkassen so gesehen, weshalb die chirurgischen Maßnahmen in der Regel übernommen werden.
Ist das überhaupt realistisch, dass Narben mal ganz verschwinden? Wo sind die Grenzen und was ist vielleicht gar nicht möglich?
Die Narben ganz verschwinden lassen ist nicht möglich. Man kann sie aber deutlich positiver beeinflussen, auch deutlich verkleinern zum Teil. Und man kann flächige Narben auch ausschneiden, z. B. haarlose Areale ersetzen durch behaarte Haut. Also, man kann wirklich vieles verbessern. Am Ende, wenn einmal eine Narbe aufgetreten ist, wird immer eine Narbe verbleiben, die aber sehr unauffällig werden kann, wenn man das gut macht.
Erinnern Sie sich an besondere Erlebnisse, wo Sie gesagt haben: Das beeinflusst mich in meinem täglichen Tun und bestätigt auch noch mal, was ich mache.
Wir sehen viele Patienten, die ihre Alltagsfunktionen deutlich verbessert haben. Ich erinnere mich an Patientinnen, die später Familien gegründet haben, irgendwann in der Schwangerschaft wiederkamen, weil dann eine Narbe am Bauch sich nicht mehr so dehnte – dann haben wir ihnen durch die Schwangerschaft geholfen.
Was ich an der Therapie von Brandverletzten wirklich sehr schön finde, ist, dass man über viele Jahre einen ganz engen Kontakt zu den Patienten hat und auch zu den Familien. Und immer wieder, wenn ein Problem auftritt, dann eingreifen und helfen kann. Aber es ist jetzt kein einzelner Patient, wo ich sagen würde, den muss ich jetzt unbedingt herausnehmen, sondern es ist tatsächlich die Gesamtheit der Patienten und der langfristige Kontakt.
Können Sie einen Unterschied skizzieren, mit welchen Eingriffen man unbedingt warten sollte, bis das Kind alt genug ist, auch vielleicht mitzuentscheiden? Und welche Narbenkorrekturen sollte man nicht aufschieben?
Nicht aufschieben muss man immer das, was eine bleibende Funktionseinschränkung oder eine Wachstumsstörung oder so nach sich ziehen würde. Und dann gibt es natürlich in der Entwicklung von Kindern immer mal so Phasen, wo viel Ruhe notwendig ist, sodass wir zum Beispiel gerne bestimmte Dinge vor der Einschulung machen, damit dann die ersten Jahre in der Schule nicht durch Krankenhausaufenthalte und sowas geprägt sind.
Ansonsten ist es tatsächlich so, dass das immer sehr individuelle Entscheidungen sind, wo man keine generelle Empfehlung geben kann. Den Zeitpunkt festzulegen, wann man eine Narbe korrigiert, ist fast das Schwierigste in der Entscheidungsfindung. Da muss man sehr viele Faktoren abwägen: Wie ist die Belastung, wie ist die Funktionseinschränkung, wie ist die Reife des Patienten und der Eltern? Wie hoch ist der Leidensdruck? Und aus all diesen Faktoren versucht man dann einen optimalen Zeitpunkt zu finden.
Zu früh sollte es jedenfalls nicht sein. Weil wenn man zu früh korrigiert, dann kann das natürlich, wenn das Kind weiter wächst, einen zweiten Eingriff nach sich ziehen, weil eine Narbe dann wieder zum Problem werden kann. Deshalb, wenn es vertretbar ist, versuchen wir eher zu warten.
Zwei Fachbegriffe müssen wir klären: Was ist eine hypertrophe Narbe und was ist ein Keloid?
Eine hypertrophe Narbe ist eine Narbe, die sozusagen an Ort und Stelle einfach dick wird. Ein Keloid ist eine Narbenwucherung, was bedeutet, dass die Narbe über die ehemalige Fläche der Narbe hinauswächst.
Bei Menschen, oder in dem Fall Kindern, gibt es eine gewisse Veranlagung, dass sie besonders dazu neigen, dass Narben eher dick werden. Und zum Teil liegt es auch an der Lokalisation der Narbe: Man weiß, dass bestimmte Areale am Körper eher zu dicken Narben neigen als andere. Und drittens ist es auch von der Form der Schädigung abhängig: Tiefe Verbrennungen machen dickere Narben als relativ oberflächliche Verbrennungen.
Wichtig ist auch die Zeit der Heilung. Wenn eine Narbe lange braucht, um zu heilen, dann wird sie dicker, also hypertropher. In der Ersttherapie ist es immer ein Ziel von uns, dass wir versuchen, möglichst frühzeitig, also innerhalb von 2 bis 3 Wochen, die Wunden zumindest so weit zu verschließen, dass die obersten Hautschichten verschlossen sind. Weil wir dann wissen, dass die Narben nicht so dick werden.
Mit welchen operativen Möglichkeiten können Korrekturen durchgeführt werden?
Erstmal gibt es semi-operative Möglichkeiten, wo man zwar eine Narkose braucht, aber noch kein Skalpell benutzt. Das ist zum Beispiel das sogenannte „Medical Needling“, wo man sozusagen mit einem Nadelroller ganz, ganz viele Nadelstiche in eine Narbe einbringt, was dazu führt, dass die Narbe sich neu formiert und in der Regel weicher und flacher wird.
Es gibt auch die Möglichkeit einer Lasertherapie, dass man mit einem Laser auch ebenso kleine Löcher in die Narbe schießt und dann darüber die Narbenbildung verbessert. Zum Teil kann man das auch kombinieren mit Salben, die man aufträgt, mit Wirkstoffen, die die Narben verbessern.
Und dann gibt es, wenn das sozusagen an seine Grenzen stößt, chirurgische Möglichkeiten – und das hängt sehr von der Fläche der Narbe ab und von der Konfiguration der Narbe. Strangförmige Narben zum Beispiel kann man einfach durchbrechen, indem man Z-Plastiken macht: Eine gerade strichförmige Narbe wird in eine Zickzack-Narbe überführt, damit die sich wie eine Ziehharmonika dehnen kann und auch quasi wieder zusammenziehen kann.
Wenn man flächige Narben hat, kann man die Narbe inzidieren und eine neue Hauttransplantation machen, weil dann, wenn man diese Fraktur auflöst, ein Defekt entsteht, wo Haut fehlt. Diese kann man durch Hauttransplantate oder Hautersatzmaterialien ersetzen, die wir verwenden können.
Dann gibt es die Möglichkeit der Expander-Therapie. Das bedeutet, dass man gesunde Haut dehnt, indem man so eine Art Ballons unter diese Haut legt und sie langsam auffüllt – und dann dehnt sich die Haut immer weiter und man hat Hautüberschüsse, ähnlich wie bei der Schwangerschaft. Wenn der Bauch sich immer weiter dehnt, hat man am Ende auch einen gewissen Hautüberschuss, den man dann nutzen kann, um zum Beispiel eine angrenzende Narbe zu entfernen und durch diese gedehnte Haut zu ersetzen.
Das kann man beliebig weiter steigern bis hin zu Transplantationen mit freiem Gewebe, wo man an einer ganz anderen Körperstelle Gewebe entnimmt und dann zum Beispiel auf einen Unterschenkel oder so transplantiert, wenn dort eine Narbe problematisch ist.
Ab welchem Alter werden diese Verfahren durchgeführt?
Da gibt es keine Altersgrenze nach unten.
Und wann ist da der richtige Zeitpunkt?
Lasertherapie kann man schon in der Akutbehandlung machen. Dazu gibt es auch ganz gute Studien, wo man sieht, dass wenn man vor der Narbenbildung versucht, das mit dem Laser positiv zu beeinflussen, dass das tatsächlich funktioniert.
Sind diese Verfahren schmerzhaft? Braucht man dafür eine Narkose?
Ja, die sind schmerzhaft. Deshalb kann man das Medical Needling nur in Narkose machen. Lasern geht auch mit Cremes, die die Haut betäuben. Das würde ich aber bei Erwachsenen machen, die damit gut umgehen können, oder bei älteren Jugendlichen.
Nach der Korrekturoperation müssen die Kinder dann wieder Kompressionskleidung tragen. Wie geht es danach weiter?
In der Regel haben wir dann wieder eine neue, frische Narbe induziert. Und dann wird sich wieder die gleiche Therapie anschließen, also Kompression, einfetten, Silikonauflagen, um die Narben positiv zu beeinflussen.
Man kann auch noch im Verlauf zum Beispiel Cortison in die Narben injizieren, weil Cortison die Faserneubildung hemmt und damit eben auch die Narbenbildung hemmt. Da haben wir sehr viele unterschiedliche Optionen im Köcher und da braucht man ein bisschen Erfahrung, was man wann und für welche Narbe genau anwendet.
Sie haben vorhin die Kosten angesprochen, die teilweise von der Krankenkasse übernommen werden. Was wird übernommen und was nicht?
Die konservativen Maßnahmen, die nicht operativen Maßnahmen, die ich beschrieben habe, also Kompressionskleidung, Silikon und so, werden in der Regel anfangs problemlos übernommen. Dann gibt es aber eine Phase, wenn das länger notwendig ist, also über viele Jahre – und gerade die Kompressionskleidung verliert ja auch Kompressionskraft, die leiert aus –, da gibt es dann doch immer mal wieder die Situation, dass wir auch die Kasse überzeugen müssen, dass sie den halbjährlichen Wechsel bezahlen muss.
Bei den halboperativen Maßnahmen, also Medical Needling und Lasern, gibt es durchaus Probleme, wenn man sie als alleinige Maßnahme anwendet. Häufig sagen die Kassen dann, dass sie das nicht zahlen. Wir lösen das Problem in der Regel so, dass wir Kombinationen von Therapiemöglichkeiten anwenden.
Wenn man gleichzeitig eine operative Therapie, zum Beispiel eine Z-Plastik oder so was macht, um eine Narbe aufzulösen, dann kann man beim gleichen Eingriff das Medical Needling machen oder die Lasertherapie – und dann geht das sozusagen im Gesamtrauschen des Eingriffs unter. Aber als alleinige Maßnahme gibt es da tatsächlich manchmal Probleme mit den Krankenkassen. Die chirurgischen Maßnahmen wiederum werden alle problemlos übernommen.
Gibt es weitere Aspekte bei der Behandlung kindlicher Verbrennungsnarben, die Sie als wichtig für die Eltern erachten, also was sie vielleicht noch zusätzlich tun können?
In der Beratung von Eltern habe ich fast nie das Gefühl, dass sie zu wenig machen. Meine Erfahrung ist, dass man eher manchmal ein bisschen bremsen muss und sagen muss: Lassen Sie das Kind jetzt auch mal Kind sein, und jetzt ist die Narbe mal nachrangig. Es ist halt wichtig, dass man irgendwann ein bisschen loslässt und wieder Normalität einkehren lässt.
Beispiel Klassenfahrten und Schwimmbad: Wenn es dann darum geht, ob das Kind schwimmen oder nicht schwimmen geht, dann kommt es halt auch mal nicht darauf an, die Kompression wirklich 24 Stunden zu tragen, sondern dann sind es mal an einem Tag nur 20, wenn das Kind ins Schwimmbad möchte.
Fallen Ihnen noch Patienten ein, die Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben sind?
Da gibt es mehrere! Einer, den ich mir sehr gemerkt habe, weil es mit der erste schwerstbrandverletzte Patient war, den ich als Hauptverantwortlicher behandelt habe, war ein damals 13-jähriger Junge nach einem Hochspannungsunfall. Er war an die Hochspannungsleitung gekommen beim Spielen auf einem Bahngelände und hatte über 90 % verbrannte Körperoberfläche. Ihn habe ich über viele Jahre begleitet, und wenn man dann sieht, wie so jemand trotzdem zurück zur Schule geht, trotzdem irgendwann seinen Schulabschluss macht, trotzdem seine Berufsausbildung macht und mit der Familie, die ihn sehr unterstützt hat, sehr positiv interagiert, das ist etwas, was einen sehr, sehr freut.
Dass man dann, wo man phasenweise überhaupt nicht wusste, ob der Patient das überleben kann, am Ende sieht, dass sich der Kampf gelohnt hat, trotz deutlicher Stigmata, die der Patient natürlich hat. Er aber eben trotzdem sozial voll integriert ist und einen großen Freundeskreis hat, wo das dann irgendwann für den Patienten gar keine Rolle mehr spielt, sondern Normalität ist. Das ist einfach nur toll.
Haben Sie noch etwas, was Sie vielleicht betroffenen Eltern mit auf den Weg geben möchten?
Ich glaube, dass gerade bei Kindern der Leidensdruck der Eltern häufig deutlich höher ist als der Leidensdruck der Kinder und dass so eine Narbe die normale Entwicklung eines Kindes kaum negativ beeinträchtigen kann. Am Ende sind Kinder unglaublich stark und finden ihren Weg auch mit einer irgendwie auffälligen Haut. Am Ende ist es eben auch nur die Haut.
Danke für das Interview!
Zusätzliche Informationen
Das Gespräch mit Professor Dr. Thomas Krämer kann hier und auf allen Streamingplattformen in unserem Podcast nachgehört werden.
Paulinchen e.V. hat viele Kontakte zu Ärztinnen und Ärzten, die Korrekturoperationen durchführen und dazu umfassend beraten. Sollten Sie nach einem Spezialisten bzw. einer Spezialistin suchen, hilft der Verein gerne mit seinem Kompetenznetzwerk weiter. Kontakte vermitteln wir über die kostenfreie Beratungshotline: 0800 0 112 123 (täglich 8 von 20 Uhr erreichbar).
Beim Paulinchen-Seminar für Familien mit brandverletzten Kindern besteht die Möglichkeit, sich vor Ort in einer Sprechstunde von einem plastischen Chirurgen beraten zu lassen.