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Meine Mutmach-Story

Hier findest du Mutmach-Geschichten brandverletzter Jugendlicher und junger Erwachsener. Vielleicht können sie dich unterstützen und dir Mut machen.

Hallo! Ich bin Lena, heute 19 Jahre alt und letztes Jahr in Bolivien von einem Blitz getroffen worden. Ich habe nach dem Abitur zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr an einer Förderschule in Deutschland gemacht. Anschließend bin ich – ebenfalls als Freiwillige – nach Bolivien geflogen. Bolivien liegt in Südamerika. Ich war in der größten Stadt dort, in La Paz. Bei einer kleinen Organisation habe ich gemeinsam mit jungen Menschen aus Australien, Neuseeland, den USA und Europa in einem Kindergarten gearbeitet. An den Wochenenden bin ich durch das Land gereist. Meine Zeit in Bolivien war super spannend. Am Ostermontag 2019 kam ich gerade von einem Ausflug zurück. Ich habe meine Wäsche gewaschen und dann im Freien aufgehängt. In diesem Moment ist ein Blitz über die Wäscheleine in mich eingeschlagen, obwohl es gar nicht gewittert hat. Man nennt so einen Blitz einen Trockenblitz. La Paz liegt auf über 3000 Metern Höhe, dort kommt es öfters vor, dass Blitze einschlagen, ohne dass es regnet und donnert.

 

Überleben

Ich hatte großes Glück, dass mich die anderen Freiwilligen sofort gefunden und gelöscht, reanimiert und beatmet haben. Ich wurde schnell in ein Krankenhaus gebracht, dann in ein anderes, wo ich 10 Tage lang lag, bis ich nach Deutschland ausgeflogen wurde. Meine Eltern sind nach Bolivien gekommen. Auch wenn sie nie lange bei mir auf der Intensivstation bleiben durften, hat es mir sehr geholfen, sie in meiner Nähe zu wissen.

An den Rückflug in einem Ambulanzflugzeug habe ich nur sehr wirre Erinnerungen, weil ich irgendwann in einen künstlichen Tiefschlaf (Koma) versetzt wurde.

Insgesamt war ich für fast vier Wochen im künstlichen Koma. Auch in dieser Zeit haben meine Eltern mich besucht. Beim ersten Besuch ist wohl mein Puls in die Höhe geschnellt, ein Zeichen dafür, dass mein Körper meine Eltern erkannt hat.

Insgesamt lag ich vier Monate im Krankenhaus, bis ich Ende August 2019 zur Reha fahren durfte. In diesen vier Monaten waren es vor allem meine zahlreichen Besucher*innen, die mir Mut gemacht haben. Auf der Intensivstation gab es strenge Besuchszeiten. Meine Eltern durften erst um 15 Uhr kommen, mussten aber um 18 Uhr schon gehen. Sobald ich morgens wach war, habe ich die Stunden gezählt, bis es endlich 15 Uhr war. Der Besuch war das absolute Highlight des Tages.

 

Hilflos und unselbstständig

Plötzlich im Krankenhaus und so hilflos und unselbstständig zu sein, war schrecklich. Ich konnte nicht alleine aufs Klo gehen, anfangs sogar nicht alleine essen. Das fühlt sich ganz schön blöd an, aber ich habe mich schnell daran gewöhnt. Was blieb mir auch anderes übrig ...

Es gab Tage, da habe ich fast nur geschlafen. Teilweise bin ich sogar mitten im Gespräch eingeschlafen. Ich habe mich so schwach und alles andere als stark gefühlt. Aber unser Körper weiß, was er braucht, damit es ihm besser geht. Und manchmal ist das viel Ruhe.

 

Wie kann der Krankenhausaufenthalt etwas erträglicher werden?

Ich hatte eine Magnetwand in meinem Zimmer, wo wir die vielen Karten aufgehängt haben, die ich bekommen habe. Mir haben auch Fotos von meinen Eltern und meinem Bruder gerade nachts geholfen, wenn ich alleine in meinem großen weißen Zimmer lag.

Wenn kein Besuch bei mir sein durfte, habe ich die Zeit, die nicht von medizinischen oder pflegerischen Tätigkeiten in Anspruch genommen wurde, mit Malen und Hörspielhören (und Schlafen) verbracht. Selbst als noch sieben meiner Finger dick verbunden waren, habe ich angefangen zu malen. Anfangs auf der Intensivstation nur Blumen und Regenbögen, danach bald auch wieder Porträts, Landschafts- und Tiergemälde. Durch Aktivitäten wie Malen, Hörspielhören oder Vorlesen (ich konnte lange nicht selber lesen, weil mein Auge verletzt war) hatte ich Abwechslung im sonst monotonen Klinikalltag.

 

Multiresistente Keime nerven!

Um mich und sich selbst vor Keimen zu schützen, mussten sich alle, die mein Zimmer betraten, Schutzkittel, Mundschutz und Handschuhe anziehen. Ich hatte das Pech, schon einen multiresistenten Keim aus dem Krankenhaus in Bolivien mitgebracht zu haben. Daher mussten sich selbst in der Reha noch lange die Pfleger*innen bei meinen Verbandswechseln „verkleiden“. Inzwischen bin ich den Keim los und kann auch wieder das ganze Gesicht meines Gegenübers sehen. Am Anfang fand ich allerdings Nasen und Münder plötzlich ganz komisch, hatte ich doch monatelang wegen des Mundschutzes nur die Augen gesehen. Aber so schnell ich mich an die Schutzkleidung gewöhnt hatte, so schnell habe ich mich auch wieder an Leute ohne „Verkleidung“ gewöhnt.

 

Operationen in den Brandverletztenzentren

Ich bin noch in der ersten Phase, das heißt, einige Einschränkungen werden in weiteren Operationen behandelt. Eine Operation ist nie schön. Aber zumindest waren bei mir immer alle Leute im Operationssaal super lieb. Die OP-Pfleger*innen (die bei der Narkose dem Arzt oder der Ärztin helfen) haben meine Hand gehalten, als ich immer müder wurde, bis ich schließlich eingeschlafen bin. Ich habe mir etwas Schönes vorgestellt, meistens meine Mutter. Daher finde ich das Einschlafen nicht schlimm, es war das Aufwachen, wovor ich Angst hatte.

Mir wurden erst nach und nach die eigentlichen Ausmaße und auch Auswirkungen meines Unfalls bekannt. Im Nachhinein denke ich mir, dass das auch gut so war, denn ich hatte ja auch so schon genug Sorgen.

 

Narben

Bei mir sind die Verbrennungen auch an sichtbaren Körperstellen wie im Gesicht, am Hals und an den Fingern. Mein Aussehen war mir nie das Wichtigste, trotzdem nervt es mich manchmal, wenn die Leute mich anstarren. Ich trage immer noch Kompressionskleidung am Oberkörper, an den Beinen und am Kopf, einen Kragen aus Silikon sowie eine Maske ebenfalls aus Silikon. Die Kompressionskleidung und das Silikon sorgen dafür, dass die Narben nicht dick und wulstig, sondern flacher und heller werden. Mit dem Kragen und der Maske ziehe ich viele Blicke auf mich.

Neugierige Blicke machen mir nichts aus, was mich nervt, sind Leute, die stehen bleiben und mich lange anstarren. Aber das ist nicht mein Problem. Das ist deren Problem. Mich stören solche Blicke nur, wenn es mir selber nicht so gut geht und ich unglücklich bin. Manchmal hilft mir Humor in solchen Situationen.

Ehrlich gesagt stört mich der furchtbare Juckreiz, den ich permanent verspüre, deutlich mehr als die Blicke anderer. Denn die Blicke anderer kann ich (versuchen zu) ignorieren, den Juckreiz nicht, der verfolgt mich selbst im Bett noch.

Meine Freund*innen gehen toll mit meinem veränderten Aussehen um: Sie akzeptieren mich, so wie ich bin. Sie stört es nicht oder sie zeigen es mir zumindest nicht. Den neuen Körper akzeptieren zu lernen, ist ein langer und individueller Prozess. Es gibt kein Patentrezept dafür. Ich habe überall die Erfahrung gemacht, egal ob mich die Leute vorher kannten oder nicht, dass nach einmaliger Erklärung mein Unfall und das Aussehen kein Thema mehr waren. Ich entscheide, wann ich darüber sprechen möchte und wann nicht. Wenn eine Operation ansteht, gehe ich damit offen um, behandele es so wie eine Klausur, von der ich auch erzählen würde.

Wenn es mir sowieso schon nicht gut geht, ist das Tragen der Kompressionskleidung manchmal fast unerträglich. Dazu kommt, dass durch die Silikon-Maske und den Silikon-Kragen der Juckreiz noch verschärft wird, weil ich darunter schwitze wie ein Bär. Was hilft mir in solchen Situationen? Vor allem Ablenkung. Wenn ich zum Beispiel ein spannendes Buch lese, vergesse ich alles um mich herum und entfliehe der Realität für einige Zeit. Auch andere Aktivitäten, die ich gerne mache, können helfen.

Ich sage mir immer wieder, dass ich alle Unannehmlichkeiten jetzt eben in Kauf nehmen muss, damit ich nicht mein restliches Leben mit dicken und wulstigen Narben verbringen muss.

 

Austausch mit anderen Brandverletzten

Mir zumindest hat es sehr gutgetan, mich in der Reha mit anderen Betroffenen austauschen zu können. Der Unfall hat mich verändert, weil ich Erfahrungen machen musste, die die meisten Altersgenoss*innen nicht machen müssen.

 

Blick in die Zukunft

Ich habe noch einige Operationen vor mir, aber – noch viel wichtiger – mein ganzes Leben. Ich habe die ganze Zeit über meine Pläne und Ziele nicht aus den Augen verloren.

Ich möchte nächstes Jahr im Sommer, also 2 ½ Jahre nach meinem Unfall, mit meinem Medizinstudium anfangen. Und wenn es später wird, verschiebe ich es eben noch mal – flexibel musste ich in den letzten Monaten ja permanent sein.

Der Hauptgrund, warum ich nicht aufgegeben, sondern weitergekämpft habe, um zu leben, war jedoch meine Familie, nicht meine beruflichen Pläne.

 

Zurück ins Leben

So blöd es auch klingt, einige Wunden – körperliche wie seelische – heilen mit der Zeit. Irgendwann ist die akute Zeit, also die Zeit der Operationen, die Zeit der Therapien und des Kompressionskleidung-Tragens vorbei.

Der Kampf zurück ins Leben, war und ist für mich kein gerader Weg, sondern ein Weg mit Höhen und Tiefen. Die neue Situation zu akzeptieren, dauert lange.

Mir haben einige Menschen gesagt, dass der Unfall sicherlich auch zu etwas gut sei. Solche Aussagen mag ich gar nicht, denn an allererster Stelle ist so ein Unfall schrecklich, ganz schrecklich. Mit der Zeit liegt es an mir, ob ich dem Unfall etwas Positives abgewinnen kann. Nichtsdestotrotz ist und bleibt so ein Unfall schrecklich!

Was ich Positives aus dem Unfall gemacht habe:

  • Ich freue mich mehr über die kleinen Momente
  • Ich schätze mein Leben mehr und habe viel über das Leben gelernt
  • Ich weiß jetzt, dass es viele Menschen gibt, denen ich wirklich etwas bedeute und Vieles mehr …

Daneben habe ich bemerkt, dass die Leute in meinem Umfeld vorsichtiger geworden sind. Nicht nur im Hinblick auf Gewitter, sondern auch im Hinblick auf andere Gefahren, denn immerhin hat es bei mir nicht einmal gewittert.

 

Ich wünsche Euch alles, alles Gute und dass Ihr die Kraft und das Vertrauen in Euch nicht verliert.

Deine Lena

Hier findet Ihr auch ein Video von Lena, indem Sie noch einmal im Interview über Ihre Brandverletzung berichtet: https://youtu.be/DTVIgoDKL1g

Meine Geschichte beginnt im Alter von 1 ½ Jahren. Von den Erzählungen meiner Eltern weiß ich, dass ich als Kind gerne geklettert bin. Irgendwie habe ich es zustande gebracht, die Herdplatte anzumachen. Ich habe mir damals meine rechte Hand an der Innenfläche so stark verbrannt, dass eine Hauttransplantation notwendig war.

 

In meiner Kindheit bis zum Teenageralter hatte ich selbst mit den Umständen wohl eigentlich am wenigsten Probleme. Eher haben sich die Probleme auf meine Eltern, speziell auf meine Mutter, ausgewirkt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schlimm es für die beiden gewesen sein muss, dass mir dieses Schicksal widerfahren ist. Das tägliche Eincremen der Hände, das Bewegen und Strecken meiner Finger und das Massieren der Haut gehört zu meinem Alltag dazu.

 

Für mich war die schwierigste Zeit im Teeniealter, da ich die Sorge hatte, dass jemand meine Hand eklig oder abstoßend finden würde. In dieser Zeit fiel es mir schwer, anderen Menschen die Hand zu geben, da immer wieder danach gefragt wurde, was mit meiner Hand passiert wäre. Um solche Situationen zu verhindern, habe ich mich zurückgezogen. Allgemein mochte ich es nicht, darauf angesprochen zu werden. Ich habe mir immer wieder die Frage gestellt, warum es ausgerechnet mich treffen musste. Ich denke, diese Frage wird sich jeder schon einmal gestellt haben.

 

2008, als ich 20 Jahre alt war, wurde meine Hand erneut operiert. Ich bekam Haut von der Leiste an die Innenfläche der Hand transplantiert, um eine bessere Beweglichkeit zu erreichen. Nach einigen Monaten der Rehabilitation konnte ich endlich das Ergebnis spüren und war überglücklich, dass es sich deutlich verbessert hat. Mittlerweile bin ich 30 Jahre alt und habe durch Zufall von Paulinchen gehört. Mir war sofort klar, dass ich mich gerne einbringen will, um Kindern und Jugendlichen mit ähnlichem Schicksal zur Seite zu stehen. Ich weiß, wie es ist, wenn man etwas hat, das die meisten Leute nicht kennen oder nie Berührungspunkte damit hatten. Ich hätte mir gewünscht, dass ich mit jemandem hätte sprechen können, der mich wirklich versteht.

 

Denn eines ist sicher, nicht die verbrannte Haut oder sonstige Äußerlichkeiten machen einen Menschen unglücklich oder lassen einen zweifeln. Die Art und Weise, wie man mit der Situation umgeht und ob man sich davon in seinem Leben herunterziehen lässt oder ob man sich dagegen aufbäumt und das Beste daraus macht, ist das A und O. Es gibt viele unterschiedliche Beispiele und jede Person geht anders damit um. Ich habe meine Geschichte erzählt und hoffe, dass sie etwas helfen kann.

 

Vielleicht schreibst auch du deine Geschichte und nimmst dein Schicksal selbst in die Hand.

 

Dein Cornelius